Startup Management: Voranscheitern für Fortgeschrittene.

Meine Faszination fürs Gründen, Unternehmertum und Startup Management reicht schon sehr lange zurück. Schon Mitte der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts träumte ich davon, dereinst ein erfolgreiches Unternehmen zu gründen. Ich las Wirtschaftsbücher, investierte mein Taschengeld in neue Ausgaben von “die geschäftsidee”, Capital und manager magazin und meine Helden hießen Gordon Gekko, Lee Iacocca und – peinlich, peinlich! – Donald Trump.

Es muss so 1987 gewesen sein, da schrieb ich meinen ersten Businessplan: Meine Idee war, den mir aus diversen Dänemark-Urlauben bestens bekannten Lieferdienst für frische Brötchen in dichtbesiedelte Gebiete Hamburgs zu bringen. Dadurch, so die Idee, könnte ich sehr viele Kunden in sehr kurzer Zeit bedienen. Auch Zeitungen sowie Frühstückszutaten wie Eier oder Marmeladen könnte man anbieten. Schnell fand ich jedoch während der Kalkulation heraus, dass “Zeit” ein sehr streng limitierender Faktor ist, ich als Person nicht wirklich skalierfähig bin und die erwartbare Marge von 3 bis 5 Pfennig je Brötchen, nun, nicht wirklich lukrativ schien.

Die erste Gründung: DANCE-O-DROME

Eines der sicherlich bekanntesten Gründungsmotive lautet “Scratching your own itch” – also eine Problemlösung für etwas zu entwickeln, das einen selbst betrifft – und daraus ein Geschäft zu machen. Diese Situation beschreibt eigentlich ganz gut, was mich zu meiner ersten Gründung führte: Ende der 80er-Jahre war die Hamburger Club-Szene zu einem regelrechten Einheitsbrei verkommen. Fast überall das gleiche Bild: Nach dem Vorbild der Michael-Ammer-Clubs und -Parties hochnäsige Türsteher draußen, langweilige Standard-Tussis und die immergleiche Chart-Musik drinnen. Dazu überhöhte Getränkepreise.

Gerade in den Hamburger Randbezirken überlegte man es sich deshalb zweimal, ob man die lange Reise “in die Stadt” antreten sollte – oder ob es nicht doch irgendwo im Bekanntenkreis eine private “Fete” zu feiern gäbe. Gemeinsam mit einem Freund kamen wir so auf die Idee: Was, wenn man die private Fete einfach in größerem Stil veranstalten würde? Wenn man günstige Getränke mit typischer Feten-Musik (Dance-Classics, Ska, Torfrock etc.) und sehr laxer Einlass-Polotik koppeln würde? Ja, was, wenn…?

Wir versuchten es. Und während die erste Party wegen einiger konzeptioneller Fehler (Räumlichkeiten, Getränkepreise) noch zu einem Verlustgeschäft wurde, war schon die zweite ein finanzieller Erfolg – und bei der dritten wurden bereits Vorverkaufskarten auf dem Schwarzmarkt vor dem Veranstaltungsort vertickt! Etwa 3 Jahre lang galten wir als eine der angesagtesten Event-Reihen im Hamburger Osten. Und während mein Kumpel Christian sich um Räumlichkeiten, Logistik und Finanzen kümmerte, war ich für Musik und Werbung zuständig.

WWT und der GOOD-BUY-AUTOMAT (Startup #1)

Während man beim DANCE-O-DROME durchaus noch von einer normalen Gründung sprechen konnte, wies meine zweite Gründung bereits diverse Merkmale dessen aus, was man heute als Startup bezeichnen würde: Ein technologiebasiertes Geschäftsmodell, hohe Skalierbarkeit und Finanzierung mit Wagniskapital. Aber der Reihe nach.

Kurz nachdem ich FCB Hamburg verlassen und mich selbstständig gemacht hatte, kam ein ehemaliger Arbeitskollege mit einer Geschäftsidee auf mich zu. Seine Idee war, T-Shirts als Souvenirs bzw. Collectibles für Sammler zu produzieren und zu verkaufen. Das Besondere an dieser Idee sollte es sein, dass es T-Shirts mit den jeweiligen 3-Letter-Codes großer Verkehrsflughäfen sein sollten, die nur an diesen Airports käuflich erworben werden konnten. Quasi als textiles Statussymbol für den Vielfliegenden. 

Um teure Shop-Mieten an Flughäfen zu sparen, sollte der Verkauf über Automaten erfolgen – ganz ähnlich denen, über die in vielen Städten Tageszeitungen verkauft werden. Über diesen Gedanken kamen wir schließlich dazu, dass man doch auch mehr als nur T-Shirts automatisiert verkaufen können müsste. Wie wäre es denn zum Beispiel, wenn es eine Auswahl verschiedener Geschenkartikel gegen das schlechte Gewissen gäbe? Eine Halskette, ein Teddybär, ein Duft – und für die Selbstbelohnung eine Armbanduhr?

Und so entwickelten wir das Konzept für den Good-Buy-Verkaufsautomaten mit multimedialer Bedienoberfläche. Für einen ersten Prototypen konnten wir ein traditionsreiches Hamburger Handelshaus als Geldgeber und den Hamburger Flughafen als Vermieter gewinnen. Und ein paar Monate später war es dann soweit: Der Automat wurde am Flughafen Hamburg in Betrieb genommen. Für ziemlich exakt 3 Stunden, bis der erste Kunde etwas kaufen wollte – und die Ausgabemechanik im Inneren versagte.

Es folgten Wochen der Reparaturen, Verbesserungen, Nachtschichten am Flughafen und Testläufen. Und doch haperte es immer wieder an der Technik. Schlussendlich mussten wir einsehen, dass wir die Technik nicht in de Begriff bekommen würden – und da uns mittlerweile das Geld ausgegangen war, hatten wir auch keine Möglichkeit, einen neuen Prototypen bei einem anderen Anbieter in Auftrag zu geben. Und so endete mein erstes richtiges Startup – als Pleite. 

Zwei Pivots und ein blödes Ende (Startup #2)

Mein zweites Startup war zunächst eigentlich gar keins. Vielmehr hatte sich aus meiner selbstständigen Tätigkeit für andere Agenturen sowie für eigene Kunden wie BUDNI irgendwann der Bedarf entwickelt, zu wachsen. Also tat ich mich mit einem Partner zusammen und wir gründeten eine Werbeagentur. Schon bald hatten wir uns einen kleinen Namen gemacht, zum einen als “die beiden Verrückten mit den FBI-Jacken”, zum anderen jedoch, weil wir uns auf die damals noch jungen Themen Kundenbindung, CRM und E-Mail-Marketing fokussierten. Erster Pivot: Die Kundenbindungsexperten.

Und so waren wir nicht nur maßgeblich an der Entwicklung der BUDNI Karte beteiligt, sondern kreierten und verantworteten auch die Fachkampagne des Online-Kundenbindungsprogramms bonus.net und die Gesamtkommunikation des Mehrwert-Dienstleisters HSI Servicecard. Schließlich gelang es uns sogar, die Dresdner Bank als Kunden zu gewinnen und für diese ein nationales Kundenbindungsprogramm im Rahmen von Filialschließungen zu entwickeln und umzusetzen. Personalisierte CRM-Kommunikation, Mehrwertdienste, Events – wir zündeten ein wahres Feuerwerk für diesen Kunden. Die Belohnung: Wachstum auf 18 Mitarbeiter, über 1,2 Mio. € Jahresumsatz.

Parallel begannen wir damit, uns auf Pivot 2 zu konzentrieren – die Entwicklung eigener Tools zur Kundenbindung. Eines dieser Instrumente war die Loyalty Scorecard, ein extrem aussagekräftiges Dashboard-Tool zur Messung und Steuerung von Kundenkartensystemen. Leider schafften wir es jedoch nicht mehr, die Loyalty Scorecard erfolgreich im Markt einzuführen – denn ich musste schmerzhaft lernen, was “Klumpenrisiko” bedeutet: Unser größter Kunde war von einem anderen Konzern aufgekauft worden. Und dieser kündigte als allererstes die meisten Agenturverträge – so auch unseren. Tja, und von diesem Spontan-Verlust von etwa 70% unseres Umsatzes konnten wir uns, auch aufgrund der recht hohen Fixkosten, nicht mehr erholen.

Die Clearing Solution (Startup #3)

Schon gegen Ende der Loyalty-Hamburg-Zeit hatte ich das Thema Couponing als eines der am stärksten wachsenden Trendthemen im Marketing identifiziert. Was daraus folgte, war eine intensive Beschäftigung mit dem Thema, einige Publikationen, mehrere Vorträge und schließlich: Die Gründung der Clearing Solution GmbH, Deutschlands zweitem Clearing House für Coupons.

Mit diesem Thema erregten wir schnell die Aufmerksamkeit eines zur damaligen KarstadtQuelleNeckermann AG gehörenden Marketing-Unternehmens aus Stuttgart. Und schon nach rund 6 Monaten konnte ich meinen ersten erfolgreichen Exit verbuchen. Gut, richtig reich geworden bin ich dadurch nicht, aber zugegebenermaßen hatte ich auch noch ziemlich große Verbindlichkeiten aus dem Scheitern der beiden vorherigen Startups zu begleichen…

CUBIC CONSULTING (Startup #4)

Rückblickend betrachtet gab es wohl kaum eine Gründung, die von so vielen Pivots geprägt war wie mein viertes Startup. Gestartet unter dem Namen “Salery” (ja, genau, die “Verkäuferei”) war das ursprünglich geplante Geschäftsmodell im Adresshandel, Permission Marketing und Online Marketing angesiedelt. Zwischenzeitlich gab es auch den Versuch, ein Coupon-Portal im Bereich der Erwachsenen-Unterhaltung aufzubauen, nachdem jedoch bereits in der Startphase reihenweise Abmahnungen von diversen Kanzleien aufgrund von vermeintlichen Verstößen gegen schon damals realitätsferne Altersfreigabe-Bestimmungen auf uns einprasselten, gaben wir das relativ schnell wieder auf. Naja, immerhin lernte ich PHP und MySQL während des Versuches.

Aus privaten Gründen kam es dann jedoch kurz nach dem Umzug von Stuttgart nach Hamburg zur Aufspaltung der Salery, die eine Hälfte ging zurück nach Stuttgart, die andere verblieb in der Hansestadt. Schon bald kristallisierte sich eine Spezialisierung auf Online-Kundenbindung heraus und wir benannten das Unternehmen in “Cubic Consulting” um. Das neue Startup funktionierte auch recht gut, auf der Kundenliste tummelten sich bald Unternehmen wie die Hamburg-Mannheimer, die Hamburger Sparkasse (Haspa), Tchibo und (mal wieder) Budnikowsky.

Und doch spürten wir, dass unser Geschäftsmodell nie wirklich würde skalieren können – und so kam es schließlich zu einer Art “Aquihire”: Alle drei Partner:innen der Cubic Consulting heuerten beim Hamburger Unternehmen OTTO an.

Online Lernen leicht gemacht - CMO bei Lecturio

Auch als CMO darf man sich in einem Startup nicht zu schade sein, selbst mit anzupacken – und so gibt es auch eine ganze Reihe von Promotion-Videos mit mir selbst als Presenter. Macht Spaß, ist glaubwürdig – und spart jede Menge Fremdkosten!

Wie es ist, im Management eines Startups zu sitzen, das man nicht selbst gegründet hat, durfte ich von 2013 bis 2014 erfahren. Knappe zwei Jahre lang lebte und arbeitete ich in der wunderschönen Stadt Leipzig als Chief Marketing Officer (CMO) der Lecturio GmbH. Lecturio ist ein Abieter für Online-Videokurse, speziell im Bereich der Lernunterstützung für Studenten (Jura-Repetitorien, Vorbereitungskurse fürs Hammer-Examen, Steuerberater-Ausbildung etc.).

Während meiner Zeit in Leipzig lernte ich eine ganze Menge über das Funktionieren eines Startups, insbesondere, was das Fundraising anging. Denn als CMO war ich einer der Hauptverantwortlichen für das Wachstum des Unternehmens – und da Venture Capital Firmen neben dem Team vor allem auch auf Traction achten, war eine positive Entwicklung hier absolut notwendig.

 

Eine der interessantesten Maßnahmen, um schnell stärkeres Wachstum zu erreichen, war ein für ein so kleines Startup ungewöhnlicher Schritt – nämlich Low-Budget-TV-Werbung. Während der letzte von mir verantwortete TV-Spot bei OTTO noch ein mittleres sechsstelliges Produktionsbudget hatte und allein die Musik-Buyouts im mittleren fünfstelligen Bereich lagen, hatte ich bei Lecturio ein bescheidenes fünfstelliges Budget für alles – also einschließlich Musik, Produktion und Schaltung.

Wir lösten diese Aufgabe durch Nutzung von Stock-Material, selbst erstellten Grafiken und Animationen und einem Media-Schaltplan, der vor allem kostenoptimiert war – und durch eine Präferenz für kleinere Spartenkanäle ein sehr hohe Schaltfrequenz ermöglichte.

Mentoring von Startups

Etwas, was ich schon immer sehr am Startup-Ökosystem geschätzt habe, ist die Offenheit, mit der man aufeinander zugeht. Der Austausch, die Bereitschaft, sein Wissen und seine Erfahrungen zu teilen und nicht zuletzt auch der unbedingte Wille zum lebenslangen Lernen. Da ich fest daran glaube, dass der Lehrer fast immer genauso viel lernt wie der Schüler, freue ich mich jedesmal, wenn ich die Gelegenheit habe, in Jury-Sitzungen oder auch Mentoring-Programmen Gründern dabei zu helfen, ihre Ziele zu erreichen.

techstars

techstars hat seinen Ursprung im Silicon Valley und gehört zu den größten Acceleratoren weltweit. Ich hatte bereits zweimal das Vergnügen, Startups aus einem techstars-Programm zu begleiten.

SAP.iO Foundry

Der deutsche Software-Riese SAP betreibt unter dem Sammelbegriff der SAP.iO Foundries mittlerweile eine ganze Reihe Acceleratoren, in den Bereichen eCommerce und Logistik durfte ich auch unterstützen.

Alter.State

Alter State ist ein großartiges Mentoring- und Pitch-Programm zur Förderung von Frauen im Technologie-Sektor, mit einem klaren Schwerpunkt in den Nordics (Skandinavien plus Baltikum). 

Next Commerce Accelerator

Beim Next Commerce Accelerator in Hamburg war ich zunächst nur über meine Investoren-Rolle bei Beiersdorf involviert, darf die großartigen Startups mittlerweile jedoch auch direkt unterstützen.

Startup Grind Chapter Hamburg

Seit April 2021 bin ich Chapter Director für Startup Grind Hamburg. Startup Grind ist die weltweit größte Startup-Community mit über 5 Millionen Mitgliedern in mehr als 600 Chaptern aus 125 Ländern. Was mich bei dieser Rolle von Beginn an fasziniert hat, ist die einzigartige Kombination aus Freiheit, die man als Chapter Director genießt, und verbindenden Values, die uns alle eint. Für uns ist “Give first” keine Floskel, sondern eine Grundhaltung. Und was unsere gesamte Arbeit kennzeichnet, wird sehr schön in unserem Anspruch “Make friends, not contacts” beschrieben.

Als Not-for-Profit-Organisation veranstalten wir monatliche Events, meistens Fireside Chats oder Workshops – für und mit Startups.

Mehr Informationen dazu gibt es hier startupgrind.com/hamburg, und wer sich für unsere bisherigen Veranstaltungen interessiert, kann sich auch mal bei Youtube umschauen.