Startups und Corporates

2019 bei einem kurzen „Walk The Plank“-Auftritt während der Startup-Konferenz „Pirate Summit“ in Köln.

Solange ich denken kann, hat mich das Gründen und Aufbauen von Unternehmen fasziniert. Mit 15 schrieb ich meinen ersten Businessplan (ohne zu wissen, dass das so heißt) über einen Frühstücks-Lieferdienst. Mit 18 gründete ich mit einem Freund den Party-Veranstalter „DANCE-O-DROME“ und mit 26 schließlich meine erste Agentur.

Rückschläge sind dabei natürlich nicht ausgeblieben: Meine WWT Betriebsgesellschaft für automatisierten Handel mbH musste nach nur einem Jahr Insolvenz anmelden. Obwohl es uns gelungen war, ein renommiertes Hamburger Handelsunternehmen als Investor zu gewinnen und eine Kooperation mit dem Hamburger Flughafen einzugehen, brachten wir es leider nie fertig, unseren „Verkaufsautomaten für Geschenke mit Multimedia-Bedienoberfläche“ zuverlässig in den Betrieb zu bekommen.

Mein zweites Startup, das auf Kundenbindungssystem spezialisierte Beratungsunternehmen Loyalty Hamburg, musste nach 5 Jahren den Betrieb einstellen. Grund hier: Der Verlust unseres größten Kunden, der über 65% des Umsatzes beisteuerte (das Wort „Klumpenrisiko“ kannte ich damals leider noch nicht).

Mein drittes Startup-Abenteur war zwar erfolgreich, jedoch nur von kurzer Dauer: Nach nur 6 Monaten verkauften wir das Unternehmen an einen (damals) großen Kaufhaus- und Versandhandelskonzern (heute würde man von einem „successful exit“ sprechen). Und das vierte endete schließlich damit, dass alle Partner der Gesellschaft bei OTTO ins Angestelltenverhältnis wechselten – auch den Begriff „Aqui-hire“ habe ich erst Jahre später kennengelernt.

Doch ob positiv oder negativ, all diese Erfahrungen erwiesen sich als überaus wertvoll, als ich 2018 begann, für den Hamburger Hautpflegekonzern Beiersdorf das Startup-Scouting im Digital-Bereich aufzubauen. Es hilft ungemein, wenn man von Gründern als „einer von ihnen“ angesehen wird. Wenn man die Abläufe, Hoffnungen und Ängste der Gründer aus eigener Erfahrung kennt. Wenn man die gleiche Sprache spricht (Anmerkung: Es ist allerdings auch durchaus hilfreich, das Kauderwelsch der VC-Szene zu verstehen und zu sprechen :-)).

Sommer 2019, Waterkant-Festival in Kiel.

Innerhalb von knapp 3 Jahren besuchte ich mehr als 80 Konferenzen, Startup-Events und Pitch-Sessions. Knappe 600 Pitches habe ich mir persönlich angehört, mit mehr als 20 Startups haben wir bei Beiersdorf Piloten und POCs durchgeführt, 5 haben es in den internationalen Roll-Out geschafft – und an einem hat sich Beiersdorf mit Risikokapital beteiligt.

Über diese Aktivitäten bin ich auch dazu gekommen, den Bereich Corporate Venture Capital bei Beiersdorf mit aufbauen zu dürfen und bei der Gründung des NX Accelerators in Korea unterstützen zu können. Derzeit (Stand Anfang 2021) bin ich immer noch Mitglied des Venture Lead Teams von Oscar & Paul Beiersdorf Venture Capital, also dem Gremium, das geeignete Investment-Kandidaten sichtet, bewertet, auswählt und dem Investment Committee vorschlägt.

Wenn ein Elefant mit den Gazellen tanzen will...

Viele Unternehmen haben eine unrealistische, wenn nicht gar falsche Vorstellung von der Zusammenarbeit mit Startups. Das beginnt schon bei der Suche: Zu oft wird nur das in Erwägung gezogen, was bereits viel mediale Aufmerksamkeit bekommen hat – und dann wundert man sich, weshalb man nur die sogenannten „Touristen-Deals“ angeboten bekommt. Nach meiner Erfahrung funktioniert Scouting nur mit einem eigenen, gut gepflegten Netzwerk.

Sehr gern wird auch an den falschen Stellen gesucht: Auf den Fachkonferenzen der eigenen Branche zum Beispiel. Dass das nächste große Ding aber wohl eher auf der VivaTech in Paris, dem TechBBQ in Kopenhagen, dem Web Summit in Lissabon oder der RISE in Hong Kong zu finden sein wird – auf diese Idee kommt kaum jemand. „Was sollen wir als Anlagenbauer denn auf einer Digitalmesse…?“

Die größten Fehler machen Unternehmen jedoch, wenn es dann um die tatsächliche Zusammenarbeit mit dem Startup geht. Das beginnt bei einer oftmals spürbaren Arroganz der „Großen“, falschen Erwartungen (Stichwort: Präsentations-Marathon) und schlichtem Unverständnis gegenüber einer möglichen „Done is better than perfect“-Attitüde und endet bei einem meiner Lieblingsthemen: Standards und Prozessen. Es mag ja sein, dass das Unternehmen standardmäßig 90 Tage Zahlungsziel hat, aber viele Startups überleben eine solche Zeitspanne schlichtweg nicht. Die Abstimmungen in einem Konzern mögen durchaus kompliziert sein, aber Anbahnungs- und Verhandlungszeitspannen von über 18 Monaten sind für ein Startup inakzeptabel.

Warum Startups für Konzerne immer wichtiger werden.

Technologie verändert sich immer schneller. Produktlebenszyklen werden stetig kürzer, die Lebensdauer von Konzernen sinkt. Wettbewerb kommt plötzlich aus unerwarteten Richtungen: Von jungen, hungrigen Startups, die sich nicht an die Regeln halten einerseits, und von großen, mächtigen Technologiekonzernen, die die neuen Regeln diktieren, andererseits.

Wer in dieser Situation nicht nur überleben, sondern wachsen und gewinnen will, muss wissen, was gespielt wird. Welche Startups arbeiten an Disruptionen, die Ihre Produkte obsolet machen können? Welche Technologien werden die Wertschöpfungskette am nachhaltigsten verändern?

Ich glaube, dass mittelfristig kein Unternehmen auf Dauer ohne Startup- und Innovation-Scouting überleben können wird. Doch wie fängt man es an? Braucht man wirklich gleich die 60.000-Dollar-Software zum Auffinden von Startups? Worauf gilt es bei der Auswahl eines Scouts zu achten, welche Ökosysteme sind für welche Technologien und Branchen relevant?

Lassen Sie uns darüber sprechen!